Mich fasziniert dieser Zugang des ungarischen Altphilologen und Religionswissenschaftler Karl Kerényi. Seine Gedanken drücken wunderbar aus, was «Aus dem Himmel eine Erde machen» bedeuten könnte: Um dorthin zu gelangen, wo alles ist wie am ersten Tage, leuchtend, neu und erstmalig, muss eben etwas dazu kommen, was wir nicht «machen» können, wofür wir uns aber sehr wohl bereit machen können. Vorbereitungen für ein gelingendes Fest sind notwendig, aber die wesentliche Dimension ist doch, den Boden für das Überraschende zu bereiten, wie Kerényi schreibt: Es muss etwas Göttliches hinzukommen, wodurch das sonst Unmögliche möglich wird. Und da sind wir auch gleich bei Pippi Langstrumpf, einer Meisterin des Feste feierns:

 

«‹Liebe Kinder, ihr sollt ja auch eure Geburtstagsgeschenke haben›, sagte sie. ‹Ja, aber – wir haben ja gar nicht Geburtstag›, sagten Thomas und Annika. Pippi sah sie erstaunt an. ‹Nein, aber ich hab’ Geburtstag, und da kann ich euch ja wohl auch Geschenke machen! Oder steht das irgendwo in euren Schulbüchern, dass man das nicht kann? Hat das was mit Plutimikation zu tun, weshalb es nicht geht?› ‹Nein, das ist klar, dass es geht.›, sagte Thomas. ‹Obwohl es nicht üblich ist. Aber ich für meinen Teil will gern ein Geschenk haben.› ‹Ich auch!› sagte Annika. Und nun lief Pippi ins Wohnzimmer und holte zwei Pakete, die auf der Kommode gelegen hatten. Als Thomas sein Paket öffnete, fand er eine kleine Flöte aus Elfenbein, und in Annikas Paket lag eine schöne Brosche in der Form eines Schmetterlings. Die Flügel waren mit roten, grünen und blauen Steinen besetzt, und sie glitzerten und leuchteten.»

 

Wer bekommt da nicht Sehnsucht, auch eingeladen zu sein, wenn dieser göttliche Moment des überraschenden Beschenktwerdens ins Spiel kommt?

 

Seit Anbeginn der Pforte erfüllt uns der Augenblick mit Freude, wenn wir, Musiker_innen und Zuhörer_innen gleichermaßen, die geschmückten Räume, ob Konzertsaal oder Buffet, betreten. Ein zur Jahreszeit passender Ast am richtigen Ort oder eine großzügig gefüllte Blumenvase erfreuen und verwandeln uns. Mit diesem Moment des Staunens ist der erste Schritt in den Ausnahmezustand, den wir «Fest» nennen, getan. Freudige Erwartung macht sich breit und wir sehnen den Augenblick herbei, in dem etwas Göttliches hinzukommt, nämlich die Musik. Wir spielen an diesem Abend drei Brandenburgische Konzerte von Johann Sebastian Bach, die für mich zu Klang gewordene Festlichkeit sind: Leuchtend, neu und erstmalig, um bei den Worten Kerényis zu bleiben.

 

Wer besondere Feste feiern will, muss Besonderes wagen

Alma tritt in den Dialog mit den Brandenburgischen Konzerten und wird uns mit ihren Ideen dazu überraschen. Sie werden der barocken Festlichkeit den Zauber zeitgenössischer Volksmusik gegenüberstellen, die auf ganz andere Art festlich ist. So feiern wir am Erntedankwochenende 2020 in der Pforte ein Fest, das die Prunksäle des Schlosses des Marktgraf von Brandenburg und die Stuben alpenländischer Wirtshäuser vereint und so das vermeintlich Gegensätzliche überwindet, um leuchtend, neu und erstmalig zu klingen.

 

Klaus Christa