Selten stehen sich «geistliche» und «weltliche» Texte so nahe wie dann, wenn sie von menschlichen Sehnsüchten sprechen. Sei es das Verlangen nach Freundschaft und Liebe, nach Ruhe und Frieden, nach Gott und Verklärung, nach Natur und Schöpfung – Alles scheint letztlich auf einer gemeinsamen spirituellen Ebene angesiedelt und engst miteinander verwandt zu sein. Im Zustand des Sehnens verwischen die Grenzen von Diesseits und Jenseits.

 

Kein Wunder, dass gerade die Musik des Früh- und Hochbarock mit ihrem besonderen Interesse an den Tiefen der menschlichen Psyche dafür ein sehr feines Sensorium entwickelt hat. Wenn vom Sehnen die Rede ist, verströmt gerade diese Musik ihren speziellen sinnlichen Duft, in der Kirche gleichermaßen wie im Theater. In diesen geistigen Sphären sind sich Gott und die Welt ganz nahe, Himmel und Erde können auch einmal auf den Kopf gestellt werden, wie es Rose Ausländer in ihrem Ausspruch so provokant getan hat.

 

Wir werden in diesem Programm verschiedensten Personen begegnen: Manche erzählen von ihrem Sehnen nach erotischer Liebe, manche suchen mit nicht minderer Leidenschaft nach Gott, einige wollen nach innerer Zerrüttung einfach nur Ruhe finden, andere sehnen sich sogar nach einem friedlichen Tod. Würden diese Figuren aus ihren unterschiedlichen Milieus und mit ihren scheinbar grundverschiedenen Bedürfnissen auf der Pforte-Bühne real aufeinander treffen – sie würden sich wahrscheinlich bestens verstehen. Wer selbst Sehnsucht in ihrer positiven Kraft verspüren kann und will, wird auch hellhörig und verständnisvoll für das Sehnen anderer.Das könnte die heilsame Seite des Phänomens «Sehnsucht» sein. In einem seiner Lieder singt Herbert

Grönemeyer: «Sehnsucht kann man zum Glück nicht verlernen.»

Johannes Hämmerle