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Ein Hauch von Begegnung

Klaus Christa

Im Rhythmus des Laufens durch den Wald atmete ich die kalte Februarluft. Ein später Vormittag Mitte Februar, die Luft roch nach Schnee. Dann geschah es: Für einen Augenblick erahnte ich in dieser kühlen Luft eine erdige Note, die mir den Frühling verhieß- es mögen nur wenige Sekunden gewesen sein. Eben nur einen Hauch des Geruchs, der im Spätwinter untrüglich vom Erwachen des Frühlings erzählt… Dieser winzige Eindruck, diese Ahnung von Frühling überwältigte mich – es war eine Begegnung im Sinne Martin Bubers, eine Begegnung mit dem Frühling, der sich so subtil ankündigte und mich trotzdem in eine rasende Begeisterung versetzte. Völlig glückselig lief ich weiter.

 

Dieses Erlebnis hat mich noch Tage später erfüllt und beglückt. Wenn ich es auf die nüchternen Fakten reduzieren würde, war es nur eine schwache Duftnote, die entfernt an den Frühling erinnerte; ein bisschen Frühlingserde in der Luft. Es scheint eben nicht die „Grösse“ eines Ereignisses zu sein, die die Tiefe unseres Erlebens bestimmt. Entscheidend schien in diesem Moment zu sein, dass meine Sinne mir direkt etwas ins Herz trugen. Es sind diese Momente, die Martin Buber meint, wenn er von Begegnung spricht- in mir war völlige Klarheit darüber, dass ich nicht vom Gedanken des Frühlings berauscht war, es war der Frühling selbst, der mich ergriff.

 

Mich begeistert der Gedanke, dass wir in der Saison 2018 diese Buber`sche Idee von Begegnung mit unserem Publikum ergründen und vertiefen werden. Ich glaube, dass unsere Sicht auf die Welt entscheidet, ob wir ein balanciertes, erfülltes Leben leben. Martin Buber hat uns hier ein unglaublich wirkungsvolles „Instrument“ in die Hand gegeben, mit dem wir das Leben besser zum Schwingen bringen können. Dafür ist es allerdings wichtig, dass wir „Ich und Du“ und „Ich und Es“ unterscheiden können.

 

Erinnern wir kurz, was Martin Buber mit dieser Unterscheidung beschreiben will: „Ich und Du“ meint die Art Begegnung, die uns auf einer tiefen Ebene erreicht und berührt. „Ich und Es“ beschreibt, wie wir kontrollierend und organisierend auf unsere Welt einwirken und die Welt auf uns wirken lassen. Nur wenn wir unser Leben in einer vernünftigen Balance dieser beiden Zustände leben, leben wir „ganz“.

 

Wie verheissungsvoll und tröstlich ist die Gewissheit, dass in einem Bruchteil einer Sekunde in einem völlig unscheinbaren Kontext diese wahrhaftigen Begegnungen stattfinden können. Und wie wichtig ist das Wissen, dass wir diese Erlebnisse brauchen, um uns in unserer Lebendigkeit zu entfalten!

 

Wenn wir in die neue Pforte-Saison starten, dann tun wir dies mit einem wachen Blick auf dieses Wunder, das sich aus dem Zusammenspiel unserer Seele mit unseren Sinnen entfaltet. Wir tun dies auch mit grosser Vorfreude auf die Gespräche, in denen wir mit unserem Publikum diese Erlebnisse wahrer Begegnung reflektieren werden. Wer kann es wissen: vielleicht entstehen gerade in diesen Gesprächen „wirkliche“ Begegnungen?

 

Klaus Christa

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