Die Offenbarung
Zwischen Schatten und Licht
Pforte im Frauenmuseum | Konzert & Ausstellung
Sa 22. Juni, 17 Uhr, Frauenmuseum Hittisau
Programm
Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)
Streichquintett D-Dur KV 593
1. Larghetto – Allegro
2. Adagio
3. Menuetto. Allegretto – Trio
4. Allegro
Streichquintett Es-Dur KV 614
1. Allegro di molto
2. Andante
3. Menuetto. Allegretto – Trio
4. Allegro
Sofia Gubaidulina (*1931)
Streichquartett N°2 (1987)
Maria Wloszczowska Violine & Impuls um halb
Raul Campos Calzada Violine
Klaus Christa Viola
Imgesu Tekerler Viola
Mar Gimferrer Violoncello
Die Offenbarung
Der Moment in der Heldenreise, der mich am meisten fasziniert: der Augenblick der Offenbarung. Wenn wir den Ruf hören, wissen wir zwar, dass wir aufbrechen müssen, allerdings bleibt uns der tiefere Grund der Reise verborgen. Wüssten wir es genau, wäre es kein Heldenreise und wir wären auch bestimmt nicht aufgebrochen. Erst nach all den Prüfungen und Erlebnissen, kommt der Moment, in dem sich das Geheimnis offenbart. Das Fantastische daran ist, dass in vielen Heldenreisen kein neues Mobiliar auftaucht, sondern dass sich längst Bekanntes zum ersten Mal erschließt. Es war immer schon da, aber erst nach all dem, was uns widerfahren ist, ist unser Blick frei und wir sehen wirklich. Und unser Hören ist befreit, sodass wir wirklich hören, als hörten wir etwas zum ersten Mal. Die klassische Kammermusikbesetzung war für Mozart das Streichquartett. Als er sich für die Besetzung Streichquintett mit zwei Bratschen entschied, war das ein Statement und man durfte mit Werken rechnen, die eine ganz besondere Ausstrahlung hatten. Das Geheimnisvolle, nicht ganz Fassbare des Bratschenklangs sprach ihm in diesen Momenten aus der Seele.
Das Quintett in D-Dur KV 593 hat er im Dezember 1790, ein Jahr vor seinem Tod in sein «Verzeichnüss aller meiner Werke» eingetragen. Das Quintett in Es-Dur KV 614 folgte am 12. April 1791. Die beiden Werke sind seine allerletzten Kammermusikkompositionen. Mozarts Lebensumstände waren zu dieser Zeit alles andere als erfreulich: Große Geldnot plagte die Familie und während einer langen Reise nach Deutschland schwand seine Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation. Außerdem litt er während dieser Zeit sehr unter der Trennung von seiner Frau Constanze. Für das allerletzte Quintett wählte er die Tonart Es-Dur, die auch die tragende Tonart der Zauberflöte ist. Für Mozart war sie sicher die spirituellste Tonart, die er nur für ganz bestimmte Werke wählte und zwar dann, wenn es um die Sehnsucht nach Hoffnung im Moment der tiefsten Dunkelheit ging. Mozarts Zeitgenosse Christian Friedrich Schubart hat Es-Dur als «den Ton der Liebe, der Andacht, des traulichen Gesprächs mit Gott» bezeichnet. Lange irritierte mich an Mozarts Es-Dur Quintett, dass dieses andächtige, trauliche Gespräch mit Gott so spielerisch leicht daherkam. War das Leben vielleicht doch viel weniger kompliziert, als ich dachte und ein Nebeneinander von Andacht und Leichtigkeit ganz friedlich möglich? Es gab kaum Werke in der Klassik, um die ich so sicheren Schrittes einen großen Bogen machte wie um die beiden Streichquintette und gleichzeitig wartete ich auf den Moment, in dem sie in der Pforte erklingen würden.
Und da kam der Tag, an dem die Geigerin Maria Wloszoczowska erstmals in der Pforte auftauchte. Ihrem Spiel lauschend öffnete sich mir das Mozart-Violinkonzert KV 219 auf eine Weise, wie ich es
mir nie träumen hätte können. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, der vollendeten Schönheit eines Werkes zu begegnen, das ich schon hunderte Male gehört hatte. Da war eine Hingabe, eine
Lebendigkeit und eine Reinheit in ihrem Spiel und damit öffnete sich die Türe zu Mozart sehr weit. Ein Entzücken erfasste mich und ich wusste: Die Zeit für die beiden Quintette war gekommen.
Klaus Christa