Titelbild «Wald» von Anna Rubin, Foto: Ramlal Tien

 

Die Pforte Konzerte ermöglichen uns als Streichquartett wieder und wieder, vor außergewöhnlich begeisterungsfähigem Publikum befreit, aus vollem Herzen, mit wachem Geist und immer in historischem Kontext bzw. politischem Bewusstsein herrlichste Musik zu machen. Das geht nur mit echten Freund*innen und jedesmal kehre ich beglückt und voller Anregungen zurück ... Ich wünsche der Pforte, dass die Quelle an einzigartigen Ideen immer weiter sprudeln möge!"

Verena Sommer | Musikerin Epos:Quartett

 

Konzert N°4

Wenn es nur einmal so ganz stille wäre

Vom Hineinhören ins Nichts

 

Pforte um 7  |  Die öffentliche Generalprobe

Do 28. September, 19 Uhr, Pförtnerhaus Feldkirch

 

Impuls um halb  |  18.30 Uhr, Erdgeschoss Pförtnerhaus

Die Geigerin und Hochschulprofessorin Christine Busch spricht über die beiden Komponistinnen Ethel Smyth und Louisa Adolpha LeBeau und ihre Erfahrungen als langjährige Genderbeauftragte an der HMDK Stuttgart.


 

Pforte um 8  |  Konzert & Buffet

Fr 29. September, 20 Uhr, Pförtnerhaus Feldkirch

 

Impuls um halb  |  19.30 Uhr, Erdgeschoss Pförtnerhaus

Die Geigerin und Hochschulprofessorin Christine Busch spricht über die beiden Komponistinnen Ethel Smyth und Louisa Adolpha LeBeau und ihre Erfahrungen als langjährige Genderbeauftragte an der HMDK Stuttgart.

 


 

Programm

 

Louisa Adolpha LeBeau (1850-1927) Streichquartett op. 34
Ethel Smyth (1858-1944)
Streichquartett in e-Moll                    
Joseph Haydn(1732-1809)
Streichquartett h-Moll  Hob. 3 / 68

Epos-Quartett
Christine Busch Violine
Verena Sommer Violine
Klaus Christa Viola
François Poly Violoncello
Christine Busch Impuls um halb

 


Eigensinn hoch zwei

 

Den beiden Komponistinnen Ethel Smyth und Luise Adolpha Le Beau ist Einiges gemeinsam: Beide zeigten bereits in jungen Jahren ein hervorragendes Talent für Musik, sie lebten ihren kraftvollen Eigensinn und innere Unabhängigkeit, beide begannen ihre Karrieren in der Hochromantik und dokumentierten ihre Lebensgeschichten in Autobiografien. Und beide kämpften leidenschaftlich dafür, Frauen den Zugang zu jahrhundertealten Männerdomänen zu ermöglichen. Mit welcher Entschlossenheit Ethel Smyth das tat, erfahren wir eindrucksvoll in ihrer ersten Autobiografie «Stürmischer Winter. Mit einem häuslichen Hunger- streik erwirkte sie die elterliche Erlaubnis, in Leipzig Komposition studieren zu dürfen. Später engagierte sie sich in der legendären Sufragetten-Bewegung, komponierte den berühmten «March of the women» und nahm sogar einen Gefängnisaufenthalt in Kauf, um der Sache der Emanzipation zu dienen. Die lesenswerten Biografien – Ethel Smyth hat sogar mehrere Autobiografien verfasst – zeugen von Leidenschaft, Beharrlichkeit, Humor und vor allem von bewundernswerter Kraft, da die zu überwindenden Widerstände zum Teil haarsträubende Ausmaße hatten.


Dass die beiden auch musikalisch einen gewichtigen Beitrag leisten konnten, wollen wir an diesem Septemberabend feiern. Während Ethel Smyth mit ihrem Streichquartett in e-Moll ein Stück «absolute Musik»* hinterlassen hat, wagte sich Luisa Adolpha Le Beau auf das Feld der Programmmusik vor. So schreibt sie in ihren Lebenserinnerungen über ihr Streichquartett op. 34:


«Dieses ist nach einem bestimmten Programm gemacht, über welches ich noch einiges sagen möchte, weil dadurch die einzelnen Sätze in eine besonders innige, ja untrennbare Beziehung zu einander kamen. Der erste Satz Allegro con fuoco, stellt eine Fliehende dar, welche, von den Verfolgern bedrängt, nur kurz rasten darf. Das zweite Thema (tranquillo) drückt die Sehnsucht nach Befreiung und die Hoffnung auf Hilfe aus. In der Durchführung wird mit den Imitationen die Flucht immer bedrohlicher, die Ruhe immer kürzer. In Aufregung schließt der Satz. Der zweite Satz Tema con variazioni beginnt Andante religioso als ein Gebet im Walde, wo die Verfolgte einschlummert. In den nun folgenden Variationen erscheint ihr Vergangenes und Künftiges im Traum und es ist in jeder derselben ein anderes Thema der übrigen Sätze zum Hauptthema kontrapunktisch verarbeitet. Am Schluß dieses Satzes klingt nochmals das Thema (Andante religioso) in höherer Oktav. Alla zingaresca ist als Zigeunertanz im Walde gedacht, wo das Mägdlein Schutz findet; ein mehrstimmiger Canon bildet das Trio. Der vierte Satz (Allegro vivo) bringt die Befreiung und Rückerinnerung an alles überstandene Leid. Das zweite Thema (calando) ist das Thema der Variationen in etwas bewegterem Tempo, quasi als Dankgefühl für die Rettung. Die Durchführung greift auf den ersten Satz zurück mit einem neu hinzutretenden Motiv der Erzählung; das Mägdlein ist wieder bei den Seinigen; es herrscht allgemeine Freude.»


Aus Ethel Smyth’ Büchern möchten wir Ihnen den Schlussabsatz ihrer ersten Autobiografie «Stürmischer Winter» nicht vorenthalten. Wir hätten das Credo, das die Pforte nun seit 25 Jahren inspiriert und antreibt, nicht besser formulieren können:

 

«Verscheuchen Sie die Erinnerung an alle Schlagworte, die Sie wie giftige Bazillen in der Umgebung der Intelligentia aufgeschnappt haben und erlauben Sie jeder Musik, die Sie zufällig lauschen, den freien Zugang zu ihrer Seele. Wenn Sie, ähnlich wie ich (...) auf der Schwelle zur Anerkennung gestoppt wurden durch den Irrglauben, zu nörgeln und zu kritisieren sei ein Zeichen intellektueller Fähigkeiten, dann möchte ich Ihnen sagen: Wenn ich mir einer Sache im Leben sicher bin, dann dass das genaue Gegenteil richtig ist. In dem Mephisto sich selbst als Geist der stets verneint schildern lässt, hat Goethe jene besondere Geisteshaltung auf ewig verflucht; und daran tat er wohl. Denn zu verstehen, zu schätzen, wenn möglich zu lieben ist weit seltener, weit schwieriger als zu untergraben und zurückzuweisen: Die Schwelle, an der diese angeblich überlegenen Personen Sie freundlicherweise anhielten, ist meiner Meinung nach die Schwelle zum Haus des Lebens. Vor allen Dingen trauen Sie Ihrem Instinkt. Wenn Sie etwas nicht mögen, das Sie zum ersten Mal hören, denken Sie daran, dass Sie vielleicht recht haben, aber es ist auch möglich, dass Sie einfach nur dumm sind. Wenn Sie aber andererseits etwas hören und es Sie gefangen nimmt, amüsiert, zu Herzen rührt, dann lassen Sie sich nicht durch den Gedanken einschüchtern, dass es sich möglicherweise nicht um hochklassige Musik handeln könnte, sondern um altmodische oder was immer sonst. Seien Sie allen Experten zum Trotz sicher: Wenn es Ihnen gefällt, befinden Sie sich auf der Seite der Engel. Und wenn am nächsten Tag der Mann mit dem Eimer kalten Wasser vorbeikommt, sagen Sie ihm wie Pilatus: Was ich empfunden habe, das habe ich empfunden. Und fügen Sie hinzu, während Sie ihn hinauswerfen: Und damit Schluss

 

Klaus Christa

 

* Musik an sich, ohne Beziehung zu anderen Künsten oder zu irgendwelchen außer ihr liegenden Vorstellungsobjekten.